Rollenspiel
 

Über Rollenspiel ist mittlerweile so viel gesagt worden und es ist so verbreitet, daß ich jetzt keine große Definition geben werde. Wer möchte kann diesem Link folgen und in ein paar kurzen Worten lesen, was Papierrollenspiel ist.

Was hier im Folgenden über Papierrollenspiel gesagt wird, trifft weitgehend auch auf das Liverollenspiel zu, oftmals in extremerer Form. Es gibt einiges, was ich gerade zur Zeit zu diesem Hobby sagen möchte - nicht nur, wie es alles begann, sondern auch, wo es in den letzten Jahren hin gegangen ist, doch die Seite ist noch nicht geschrieben :-)

Mein "phantastischer" Werdegang

Meine eigene Rollenspielkarriere begann, als mein Bruder vor wirklich vielen Jahren einen Pappkasten mit seltsamen Heften und noch viel seltsamere, da mit bis zu 20 Seiten versehenen Würfeln geschenkt bekam. Er zog sich nach reiflicher Vorbereitung mit dieser Ausrüstung und einigen Freunden in sein Zimmer zurück und daraufhin hörte ich sie stundenlang lachen und schreien - irgendetwas schien da ziemlich viel Spaß zu machen. Also lieh ich mir den ganzen Kram (es war das gute, alte Dungeons&Dragons), vereinfachte es und verführte ein paar meiner Mitschüler zu mehreren Treffen, in denen ich sie durch selbstgebastelte Abenteuer schickte, die mir heute manchmal etwas sehr seltsam erscheinen, die in ihrer Unlogik aber nie an das käufliche "Palast der Silberprinzessin" von D&D herranreichten.

Selber zum Spielen kam ich erst, als ich von einem Rollenspielertreffen in meiner Heimatstadt las und todesmutig und ohne irgendwen dort zu kennen hinging - allein als einzige Frau unter 100 männlichen Würfelbegeisterten kam ich mir dann auch dementsprechend deplaziert vor, wurde aber von jemandem unter die Fittiche genommen, der daraufhin MEIN erster Spielleiter wurde, bis sich die DSA (Das Schwarze Auge, das wohl größte deutsche Rollenspiel) - Gruppe wegen des Studienbeginns aufzulösen begann. In Lüneburg angekommen suchte ich sofort nach Gleichgesinnten und fand eine Gruppe von Neuanfängern und einen erfahrenen Spielleiter.

Ich bin bei D&D und DSA nicht stehengeblieben. Runequest, Warhammer, Gurps, Midgard und Cyberpunk, Shadowrun, Call of Cthulhu, Star Trek und ein Ausflug in die Reiche der Superhelden haben sich angeschlossen und das wird bestimmt noch nicht alles gewesen sein. Dazu gibt es einfach zu viele Welten zu entdecken und zu viele Charaktere auszuprobieren. Im Moment, nachdem wir in höheren Leveln in der Flut von Regeln des aktuellen D&D ertrunken sind, haben wir im Savage Worlds - System etwas gefunden, was prima, schnell und abwechslungsreich spielbar ist und zudem sehr viel Spaß macht.

Des Rollenspiels wahre Freude

Die Lieblingsbeschäftigung eines jeden Rollenspiels ist es mit Sicherheit, die Geschehnisse des letzten Treffens all jenen zu erzählen, die nicht dabeigewesen sind, seien sie nun selber Spieler oder gänzlich unbedarfte und deswegen umso verwirrtere Freunde. Läßt man sie damit erst einmal beginnen, hören sie so schnell nicht auf, und ich kannte zwischenzeitlich Leute, die mich besuchten und stundenlang nichts anderes erzählten, bis sie wieder gingen, so als hätten die doch nur durch Sprache erlebten und darum zwangsläufig fernen Erlebnisse mehr Glanz und Wert als das wahre und wirkliche Leben. Und auch wenn ich von diesem "Makel" keineswegs frei bin, sondern im Gegenteil auch zu solchen Erzählüberfällen neige, weiß ich selbst, wie unglaublich langweilig das zuweilen für die Zuhörer ist - ein bißchen wie sich Urlaubsdias von Orten anzusehen, die man nicht kennt, nie kennen wird und auf denen nur Leute sind, die man ebenfalls noch nie gesehen hat.

Kritik am Rollenspiel - die bewegten Gemüter

Wer ein bißchen was über Rollenspiel gehört hat, dem wird auch die kritische Diskussion darum nicht entgangen sein, und mancher Kritiker, der meinen Text hier gelesen hat (so er sich tatsächlich mit dem Thema befassen und nicht nur von Außerhalb verdammen möchte), wird mit besorgtem Kopfschütteln Anzeichen für die verbreitetsten Anklagen gefunden haben. Der schlechte Einfluß von Gewalt im Rollenspiel, die Abhängigkeit von einem Spielleiter, der Verlust der Realität und das Aufgehen allein in einer fiktiven Welt... Zugegeben, wer nicht mitmacht, dem muß das Treffen einer Rollenspielrunde sehr sonderbar vorkommen und wenn dann noch in Fernsehen und Zeitung "vollinformierte" Psychologen vor allen gräßlichen Folgeerscheinungen dieses Hobbies warnen, bricht bei vielen Eltern die große Sorge aus.

Aber es gibt neben den Stimmen der Spieler selbst auch respektablere Leute, die sich wissenschaftlich mit dem Ganzen befaßt haben. Und die sind dann meist zu weitaus weniger "erschreckenden" Ergebnissen gekommen und sahen auch die guten Seiten, zum Beispiel die Förderung von Phantasie und Kooperation und das "Trainieren" der Sprachfähigkeit, ohne die Papierrollenspiel ja halt nicht geht. Letztlich ist es mit dem Rollenspiel nicht anders als mit jedem anderen Hobby: wird es im Übermaß genossen, ist es irgendwann eher schädlich, und bestimmt ließen sich auch hervorragend greuliche Studien über Leute schreiben, die jeden Tag der Woche ins Fitness-Center rennen, den ganzen Sommer über ihr Auto bemuttern oder von der Glotze schlichtweg nicht wegzubekommen sind!

Rollenspiel erhellt die Welt

Es bleibt eine Frage: wenn diese Welt so gut und schön und toll ist, daß wir jede Minute in ihr arbeiten, leben, denken und sein sollen, zum Wohl von Karriere und Konsum und all diesen netten Dingen - warum gibt es dann so viele Rollenspieler, die von überall her kommen? Wir haben unsere Welt erfolgreich entzaubert und das Mystische und Heldenhafte jenseits von 1000 Regeln und Hilflosigkeiten fehlt uns mehr, als wir dachten. Vielleicht kann Rollenspiel es für ein paar Stunden am Abend zumindest scheinbar wieder zurückholen...